Wirtschaft und Allmende

Read in English: Commons-Sensitive Economy

Seit der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaft an Elinor Ostrom ist die Relevanz von Gemeingütern für die Wirtschaft ins öffentliche Bewusstsein gekommen. Die Aufrechterhaltung einer intakten Atmosphäre und der Kampf gegen den Klimawandel verlangen von der Wirtschaft den Einsatz neuer Technologien. Natürliche Allmenden wie der Regenwald oder die Meere verlangen einen Schutz vor Übernutzung. Fragen des öffentlichen Wohls schränken den Handel und das Angebot von Dienstleistungen und Produkten ein. Soziale Gemeingüter lassen sich nur sehr begrenzt über marktwirtschaftliche Funktionsweisen steuern. Unternehmen reagieren darauf. Dies geschieht sowohl auf Druck von außen als auch aus Einsicht in die Vorteile eines gemeingüter-sensitiven Wirtschaftens. Wirtschaften ist immer schon nur auf der Basis von sozialen, ökologischen und kulturellen Gemeingütern möglich. Unternehmen brauchen Schulen und Universitäten, natürliche Ressourcen, Straßen, Sozialsysteme, wissenschaftliche, musikalische, künstlerische Traditionen.

Aber auch die neuen wissensbasierten Gemeingüter, die durch digitale Medien geschaffen werden, führen zu faszinierenden Innovationen für die Wirtschaft. Nicht nur dass digitale Gemeingüter wie das Internet und die HTML-Sprache entscheidend zur Leistungsfähigkeit der modernen Wirtschaft beigetragen haben. Neue Vernetzungsstrukturen erzeugen alternative öffentliche und politische Arenen (Bürgerjournalismus, Blogosphäre, Piratenpartei), die auch die Kommunikationsgewohnheiten und den Informationsfluss zwischen Unternehmen, Kunden und Bürgern verändern (Web 2.0). Open Source Software wurde zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor in der IT Industrie. Die Open Access Bewegung für wissenschaftliche Literatur greift in immer mehr akademischen Disziplinen um sich und hat gute Aussichten den Publikationsmarkt zu verändern. Nicht nur die Wissensproduktion ist betroffen. Peer to Peer-Finanzierungsplattformen wachsen mit rasanter Geschwindigkeit. Auch in der Industrie gibt es Bewegung: Regional verteilte Produktionsstätten wie Fablabs (fabrication laboratories) und 3-D-Drucker-Technologien ermöglichen kostengünstige Zugänge zur Herstellung von Prototypen und Individualauflagen. In der Elektronik-Industrie gibt es in der Open Hardware – Entwicklung beachtliche Entwicklungen. In der Energiewirtschaft zeigt sich die „Gemeine Peer Produktion“ in neuen Formen dezentraler Energieproduktion unter aktiver Beteiligung von Stromkonsumenten, dies wird unserer Energieinfrastruktur ein neues Gesicht geben.

Sowohl durch die Notwendigkeit, bisherige Gemeingüter zu schützen wie durch die Entstehung neuer Gemeingüter werden neue Produkte geschaffen, neue Geschäftsideen und Businessmodelle lanciert sowie Produktionsabläufe, Organisationen und Strukturen weiterentwickelt. Das Vermeiden der Übernutzung sowie die Pflege und der Ausbau von Gemeingütern sichern also die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt. Und sie sind nicht selten Erfolgsrezept für einzelne Unternehmen. Ob und wie daraus ein funktionierendes Wirtschaftsgefüge innerhalb einer oder ergänzend zur geldbasierten Marktwirtschaft wird, welche Zwischenformen entstehen und was nach einiger Zeit wieder verschwindet, ist noch vollkommen unklar. Politik kann diesen Prozess durch Ordnungspolitik, durch Förderprogramme, ökonomische Instrumente (Ökosteuern, Verschmutzungsrechte), durch Regulierung des Patent- und Lizenzrechts und vieles mehr beeinflussen. Angesichts des Scheiterns von Markt- und Staatsfundamentalismus wird jedoch die kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung der Gesellschaft nur gelingen, wenn die Impulse aus der Debatte um Gemeingüter und P2P Produktion ernst genommen werden.

e5 hat als erster branchenübergreifender Wirtschaftsverband sich der Commons-Problematik angenommen. Sie finden hier Informationen zu folgenden Projekten und Aktivitäten:

  • 2013/2014 – Nachhaltige Lebensstile durch Gemeingüter-Ökonomie. Dieses Forschungs- und Dialogprojekt untersuchte die nachhaltigen Wirtschaftsweisen und die Gemeingüterökonomie, die Ökodörfern und anderen intentionalen Gemeinschaften praktiziert werden. Wie pflegen solche „ökologischen Lifestyle-Avantgarden“ gemeinsame Güter? Das Projekt ist Teil einer größeren Kooperation mit dem Global Ecovillage Network Europe (GEN Europe) unter dem Titel: „Ökodörfer als Modelle gelebter Nachhaltigkeit“. Mehr Informationen hier.
  • 2011 – Experten-Workshop über die Zukunft der Energieinfrastruktur. Eine Veranstaltung mit Veröffentlichung zu dem Thema gemeingüterbasierter Energiewirtschaft in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung. Mehr Informationen hier.
  • 2010 – Wirtschaftssalons zur Gemeingüterökonomie. Interdisziplinäre politische Salons in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung. Mehr Informationen hier.
  • 2010 – Internationale Commons Conference. Erste große internationale Commons Konferenz in Berlin, organisiert und verantwortet von der Heinrich Böll Stiftung und der Commons Strategies Group. Unterstützung von e5. Mehr Informationen hier.
  • 2009 – Veröffentlichung von „Das Commons- Manifest: „Gemeingüter stärken. Jetzt!“ unter Mithilfe von e5. Mehr Informationen hier.
  • 2009 – Kölner Regionalforum für alternatives Wirtschaften. Der Workshop unter dem Titel „Zukunftsfähige Modelle für Leben, Arbeit, Wirtschaften“ versammelt unterschiedliche Initiativen und Organisationen, die alternatives Wirtschaften real praktizieren. Mehr Informationen hier.
  • 2008 – Open Source Clean Technology Initiative. Mit der Strategie von „Open Source“ wird Wissen über klimafreundliche Technologien verbreitet und weiterentwicklet. Mehr Informationen hier.