Read in Englisch: Forest Conservation, Afforestation and Climate Justice
Der Beitrag der Wirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung bei der natürlichen Kohlenstoffbindung
Ein Projekt im Rahmen der e5-Initiative „Climate Justice als Business Case“
Die Weltgemeinschaft hat sich darauf geeinigt, dass die globale Erwärmung unserer Erdatmosphäre unter einer Grenze von 2 Grad Celsius gehalten werden soll, um dramatische Konsequenzen des bereits stattfindende Klimawandels einzudämmen. Legt man die jüngsten Analysen der höchsten wissenschaftlichen Autorität in Sachen Klimawandel – dem International Panel on Climate Change (IPCC) – zugrunde, so bedeutet dies für die OECD-Länder, ihre Emissionen bis zum Jahr 2020 um 25 bis 40% zu reduzieren (auf der Grundlage von 1990) und sie ausgehend vom Jahr 2000 bis 2050 gar um 80% bis 95% zu mindern. Entsprechend hat der EU-Rat der europäischen Staatschefs im Oktober 2009 beschlossen, den Ausstoß an Treibhausgasen in Europa bis 2050 um 80 bis 95 % zu senken. Es melden sich sogar in der Wissenschaft und in der Zivilgesellschaft Stimmen, die bereits noch höhere Reduktionsziele seitens der Industrieländer fordern, was man als aktiven Beitrag zum Entzug von CO2 aus der Atmosphäre interpretieren kann.
Sprecher und Fürsprecher der sich schnell entwickelnden Volkswirtschaften und der Entwicklungsländer vertreten den Standpunkt, dass nicht ihre Länder, sondern die Industrieländer den Klimawandel hauptsächlich verursacht haben. Ihre Länder sind aber diejenigen, die unter den negativen Auswirkungen des Klimawandels am meisten leiden werden. Die reichen Länder im Norden der Erde haben den Einsatz fossiler Brennstoffe genutzt, um durch wirtschaftliche Entwicklung Armut zu überwinden und Wohlstand aufzubauen. Die Sprecher der Länder des Südens verweisen deshalb darauf, daß auch ihre Bevölkerungen das Recht auf Überwindung von Armut und Not haben und Umweltschutz diesem Ziel nachgeordnet sei. Die Furcht ist verbreitet, dass der von ihnen geforderte Klimaschutz finanzielle Ressourcen von der Armutsbekämpfung abzieht und die wirtschaftliche Entwicklung einschränkt. Das Schlagwort „Klimagerechtigkeit“ bezieht sich daher auf eine faire Verteilung der Kosten, die anfallen, wenn sich Entwicklungs – und Schwellenländer vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels schützen müssen und zugleich selbst einen umweltfreundlicheren Entwicklungspfad einschlagen wollen.
Die Bedeutung von Waldschutz für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit
In den letzten Jahren hat die Tatsache, dass Entwaldung nach dem Energiesektor zweitgrößter Verursacher von Treibhausgasemissionen ist, eine neue Aufmerksamkeit auf den internationalen Klimaverhandlungen erfahren. Zugleich wurde klar, daß Waldprojekte ein zentraler Eckpfeiler einer weitsichtigen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategie sein müssen. Eine Vielzahl von Studien, Methoden und Initiativen belegt mittlerweile die Bedeutung, die der Erhalt von Wäldern und die Aufforstung von degradierten Flächen sowohl für den Klimaschutz als auch für den Schutz anderer natürlicher Ressourcen und der Biodiversität hat. Hinsichtlich der Verpflichtung der Industrieländer, zukünftig sogar mehr als 100 % an jährlichen Treibhausgasreduktionen aufzuweisen, ist die natürliche Bindung von Kohlenstoff durch Wälder ein Mittel der ersten Wahl.
Die Zerstörung von Wäldern in Schwellen- und Entwicklungsländern hängt mit komplexen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Prozessen zusammen, in denen das Bedürfnis zur Überwindung von Armut und zur Steigerung des eigenen Wohlstands bei der lokalen Bevölkerung eine wichtige Rolle spielen. Die Beseitigung der sozio-ökonomischen Ursachen, die bei der Entwaldung ebenso eine Rolle spielen wie die Missachtung der Lebens-, Besitz- und Nutzungsrechte lokaler Waldbewohner und Waldanrainer, ist eine Aufgabe, die dringend in Angriff genommen werden muss. Wenn das Recht auf Überwindung von Armut ernst genommen werden soll, müssen die Industrieländer auch in Bezug auf Wälder überlegen, wie sie einen finanziellen Ausgleich für die Bemühungen derjenigen Menschen leisten können, die als Hüter der natürlichen Reservoire und Schutzräume der Erde agieren.
Deshalb ergibt sich für die Industrieländer nicht nur in Bezug auf technologische Projekte, sondern auch in Bezug auf Waldprojekte eine Verantwortung, zur nachhaltigen Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern beizutragen. Nachhaltige Entwicklung darf nicht nur technischen Fortschritt (erneuerbare Energien, Energie effiziente und Ressourcen schonende Produkte und Verfahren) beinhalten, sondern muss ebenso Wirtschaftskreisläufe entwickeln und fördern, die den Schutz und die Pflege von Ökosystemen und ihren Leistungen (Wasser- und Nährstoffkreisläufe, Erosions- und Bodenschutz, Ressourcen- und Nahrungslieferant) zum Wohle von Mensch und Natur umfassen. Wälder dürfen jedoch nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Ebenfalls wichtig sind ihre ökonomische, soziale und kulturelle Dimensionen, denn der Wald wird seit Generationen von Menschen genutzt, er liefert Nahrung, Baumaterialien, Rückzugsorte und hat eine Bedeutung im kulturellen Leben.
Intelligente und nachhaltige Businessmodelle für den klimaschutzbasierten Waldschutz
Projekte, die Waldschutz und Aufforstung durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten zum freiwilligen Ausgleich von Treibhausgasemissionen finanzieren, spielen eine entscheidende Rolle als Pionier für die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die diesem Zweck dienen. In ihrem Gefolge wurden Verfahren zum Berechnen der Kohlenstoffbindung durch Wälder verfeinert und ausgebaut. Standards entstanden, die die Güte von Waldprojekten für den Umweltschutz und die Armutsbekämpfung feststellen und bewerten. Verfahren wurden entwickelt, die Verlagerungseffekte vermeiden helfen und die Kohlenstoffbindung langfristig sichern. Erste Wirtschaftskreisläufe zwischen Akteuren in Industrieländern und Entwicklungsländern wurden initiiert. Solche Errungenschaften haben wichtige Arbeitsgrundlagen auch für anderen Klimaschutz-fördernde Waldprojekte geschaffen.
Gleichzeitig müssen die Verfahren zur Sicherung der ökologischen wie sozialen Nachhaltigkeit von Waldprojekten weiter ausgebaut und verfeinert werden. Klimagerechtigkeit im Waldschutz heißt hier, daß die Entwicklungsländer nicht zu Lieferanten eines einfachen und billigen Guts am Anfang der Wertschöpfungskette werden, etwa indem sie auf die Rolle von Lieferanten günstigen CO2-Kompensationszertifikate reduziert werden. Es bedeutet die Entwicklung wirtschaftlicher Strukturen, die sowohl lokale Märkte stärken, komplexe Wertschöpfungsketten im eigenen Lebensraum aufbauen, neue und sozial faire Einkommensquellen ermöglichen, und der betreffenden Bevölkerung erlauben, komplexer Güter und Dienstleistungen zu Förderung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit lokal wie überregional erfolgreich anzubieten.
Hier kommt privatwirtschaftlichen Akteuren eine Schlüsselrolle zu. Die Wirtschaft kann pragmatische Geschäftsmodelle anbieten, die in der ländlichen und städtischen Umgebung von Wäldern neue Einkommensperspektiven bieten und so den Druck zur Waldzerstörung vermindern. Sie kann einen aktiven Beitrag zur Implementierung von Projekten leisten, die die Besitz- und Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerung berücksichtigen. Sie kann durch wirtschaftliche Kooperation mit der lokalen Bevölkerung lokale Stakeholder für den Waldschutz interessieren und für die Mitarbeit und Mitgestaltung gewinnen. Das gilt sowohl für Geschäftsmodelle, die auf den freiwilligen Ausgleich von Treibhausgasemissionen in Industrieländern setzen, als auch für Geschäftsmodelle, die andere Güter oder Dienstleistungen bereitstellen.
e5 und Waldschutz
Die Mitarbeit der europäischen Wirtschaft zum Schutz von Wäldern ist dringend gefragt. Aus diesem Grund hat e5 ein Stakeholder-Projekt begonnen, um Impulse zur Förderung nachhaltiger Geschäftsmodelle für Waldprojekte zu setzen, die das Klima und die Biodiversität bewahren sowie die ökonomische und soziale Situation der betroffenen Menschen verbessern. Dabei soll die besondere Expertise wichtiger Akteure, Stakeholder und Experten aus dem Klimaschutz und der nachhaltigen Entwicklung sowohl aus den Ländern des Nordens wie des Südens genutzt werden.
Ein besonderes Augenmerk wird dabei darauf liegen, den Markt für solche Projekte transparenter zu machen und Messverfahren zur sozio-ökonomischen Nachhaltigkeit und Güte zu harmonisieren. Dabei wird hohen Wert darauf gelegt, dass die Standards zur Sicherung der Nachhaltigkeit von Waldprojekten nicht verwässert werden, zugleich aber auch die Transaktionskosten gesenkt und die Zertifizierungsverfahren für kleine Projekte vereinfacht werden.
Nächste Handlungsschritte
- 23. Mai 2012 Side Event anläßlich der Bonn Climate Change Conference (SB 36): Prosperity, Politics & People. Necessary framework (environment) for sustainable forest ppp projects. Für mehr Informationen, siehe hier
- 02. Dezember 2011 (COP 17 in Durban) Roundtable Dinner mit Experten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur gegenwärtigeen Rolle und zur Zukunft von Zertifizierungen von klimaschutzorientierten Waldprojekten. Für mehr Informationen, siehe hier.